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Und deswegen mag ich Montage

Kurzgeschichte

„Eyy, du bist echt scharf,“ lallte er mir zu, „lass mal ficken!“ Gott war der betrunken. Ich drehte mich wieder zu Jan und kehrte dem Betrunkenen damit den Rücken zu.

Jan war mittlerweile bei seinem dritten Bier für heute Abend angekommen, während ich mich noch an meinem ersten festklammerte.

„Das Leben ist scheiße“, sagte Jan mit ganz verträumtem Blick. Er leerte sein Bier mit einem letzten Zug und schüttelte seinen Kopf. „Gott, ich bin jetzt schon leicht angetrunken“, stellte er fest, „Das ging heute aber schnell“, meinte Jan lachend, während er sein Bier wegstellte.

„Ich denke, das reicht an Alkohol für heute Abend“, sagte ich und ließ mein halb geleertes Bier los, welches bisher mein einziger Halt in diesem Raum gewesen war.

„Komm, lass uns verschwinden, Zwerg“, stimmte Jan mir zu und legte seinen Arm um mich. Ich mochte meinen Spitznamen. Neben Jan wirkte ich wirklich wie ein Zwerg.

Er behielt seinen Arm um meine Taille gelegt, um mich in den Massen der Tanzenden nicht zu verlieren. Ich war froh darüber, weil Jan einen besseren Halt bot als die Flasche Bier, welche er mir zu Beginn des Abends spendiert hatte.

Als wir endlich wieder etwas mehr Luft zum Atmen hatten, stand der Betrunkene von vorhin wieder vor mir. „Ach, den da lässt du ran, aber mich nich oder was?“, fragte er schwankend. Jan zog mich an ihm vorbei. „Apropos Betrunkene. Wo ist eigentlich Lena abgeblieben?“, fragte ich ihn, als er mir meine Jacke reichte. Während er seine anzog, beantwortete Jan meine Frage: „Sie ist vor einer Stunde mit Max verschwunden. Wahrscheinlich sind sie mittlerweile bei ihm zu Hause.“



Die frische Luft, welche nun durch meine Lunge strömte, versorgte mein Gehirn mit frischem Sauerstoff, sodass ich wieder klar denken konnte.

Wodurch ich mich jedoch wieder daran erinnern konnte, wieso ich mich heute Abend (eigentlich) betrinken wollte – um das Leben zu vergessen.

Jetzt prasselte alles wieder auf mich ein und erschlug mich beinahe. Wieder war ich über Jans Arm an meiner Taille froh, der meine Beine daran hinderte nachzugeben.

Vielleicht habe ich ja kein Recht mich zu beklagen, über die Schule, meine Eltern und Jungs. Was soll ich denn machen, wenn mir alles über den Kopf wächst? - Wie jetzt gerade.

Lehrer und Eltern vergessen, dass sie auch mal jung waren. Typen sind alles Idioten und über den Hormontornado will man gar nicht erst nachdenken.

Jan blickte mich von der Seite an. „Ist was?“, fragte er mit besorgtem Blick.

„Nicht wirklich. Das Übliche halt und dazu noch das mit Gabriel“, seufzte ich.

„Ach, das wird schon wieder, früher oder später erkennt der schon noch, was er bei dir verpasst“, versuchte Jan mich aufzumuntern.

„Früher wäre mir lieber als später. Wobei irgendwann auch ausreichen würde“, scherzte ich.

„DU findest schon noch was Besseres. Vertrau mir, viele Jungs wären gerne an deiner Seite, Zwerg“, erinnerte mich Jan.

„Wenn ich aber nichts anderes als Gabriel will?“, fragte ich ihn fast schon ein wenig bedrückt. „Nicht jeder kann so glücklich sein wie du und Nelly“, schob ich kurz danach noch hinterher. Darauf wusste Jan so schnell keine Antwort.

Als er seine Sprache wieder gefunden hatte, meinte er: „So frisch verliebt wie Max und Lena sind wir aber auch nicht mehr.“

„Du darfst aber nie vergessen, dass du jemanden hast. Jemanden, der dich liebt, mit dem du schon so viel erlebt hast und der immer für dich da ist. Vergiss auch nie, wer das ist, wie wundervoll Nelly ist und wie du für sie empfindest.“ Diese Worte sprudelten nur so aus mir heraus.

Ich war fast schon sauer auf Jan. Wie konnte er sein Glück, um welches ich ihn sehr beneidete, beinahe vergessen. Ich konnte mich selber kaum an eine Zeit ohne Nelly in seinem Leben erinnern.

„Du hast ja recht, aber verschwende nicht zu viel Energie auf Gabriel. Das ist der nicht wert!“, riet mir Jan.

„Ich weiß, aber es könnte sich ja noch etwas entwickeln!“, sagte ich voller Hoffnung.

„Lass uns endlich das Thema wechseln“, schlug Jan vor. Mittlerweile hatten wir mehr als die Hälfte des Weges hinter uns gebracht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis ich alleine sein würde, denn Jan würde ich erst am Montag in der Schule wieder sehen. Bis dahin wäre ich mit meinen Gedanken und Problemen alleine.

„Gut, worüber willst du reden?“, ging ich auf Jans Vorschlag ein.

„Weiß ich doch selbst nicht“, gab Jan zu. „Da du jetzt sowieso nur noch an Gabriel denken wirst, können wir ja bei dem Thema bleiben“, fuhr Jan fort.

„Also gut!“, stimmte ich seinem Vorschlag zu, er hatte ja recht: Gabriel ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

„Nun denn, wo genau drückt denn der Schuh?“ , fragte mich Jan leicht scherzhaft.

„Naja, manchmal ist er total cute und ich habe das Gefühl, er empfindet auch etwas für mich. Aber manchmal ist er wiederum ganz anders, als wäre da gar nichts zwischen uns“; erklärte ich Jan bedrückt die Situation. „Ich weiß einfach nicht, woran ich bin.“ Ich fühlte mich wie bei einem Psychologen.

„Vielleicht solltest du das ganze über einen etwas längeren Zeitraum beobachten“, lautete Jans professionelle Meinung. Nicht als Psychologe, sondern als mein bester Freund.

„Ich hab ja noch Zeit, vielleicht ist es auch besser so. Also wenn jetzt nichts passiert, ist vielleicht auch ein schlechter Zeitpunkt. Naja, eventuell in fünf Jahren oder so…“, seufzte ich hoffnungsvoll. Wir waren nur noch drei Straßen von meinem Haus entfernt. Ich überlegte, wie ich noch Zeit schinden könnte.

„Aber er geht dir einfach nicht mehr aus dem Kopf?“, schlussfolgerte Jan. Als Antwort nickte ich nur, denn damit hatte Jan absolut Recht.

Ich blieb stehen und da Jan immer noch seinen Arm um meine Taille hatte, blieb er auch stehen.

„Aber es tut so weh an ihn zu denken“, sagte ich beinahe schmerzhaft.

„Hey“, Jan legte eine Hand an meine Wange, „Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst, Zwerg.“

„Danke, Ich hab dich echt gern“, ein kleines Lächeln huschte über mein Gesicht.

„Du bist mir auch sehr wichtig“, sagte Jan überzeugt, dann setzte er sich wieder in Bewegung. Den Rest des Weges gingen wir schweigend nebeneinanderher, bis wir schlussendlich vor meiner Haustür angekommen waren.

„Bis Montag?“ – „Bis Montag!“

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